Ich berate Sie gerne.
Yannick Schmitz, Customer Success Manager
Seit Herbst 2017 betreut brainbits das traditionsreiche Haus bei der unternehmensweiten Einführung von Confluence als „Social Intranet“. In seinem Beitrag berichtet Patrick Schuh, Geschäftsführer und leitender Berater des Projekts, welche Hürden bei der Einführung digitaler Kollaborationsplattformen zu beachten sind und wie die Hildesheimer Allgemeine Zeitung sie gemeistert hat.
Im Herbst 2017 rief mich Alexander Loss, IT-Leiter der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung, Deutschlands ältester Tageszeitung, an. Auslöser für seinen Anruf war ein Stück ziemlich trockener Materie: die neue, europäische Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO. Dieses neue Gesetz, das die Rechte jedes einzelnen Menschen an seinen persönlichen Daten massiv stärkt, hat weitreichende Folgen für die Unternehmen in der EU.
Aus dem Gesetz ergibt sich unter anderem die Verpflichtung für Unternehmen, detailliert Auskunft darüber geben zu können, welche personenbezogenen Daten warum und in welchen Systemen erfasst und verarbeitet werden. Leichter gesagt als getan: denn viele Unternehmen wissen gar nicht im Einzelnen, wo sie zu welchem Zweck welche datenschutzrelevanten Informationen verarbeiten.
Damit Unternehmen ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen können, müssen die entsprechenden Prozesse also erst einmal identifiziert, analysiert und dokumentiert werden.
Eine Herkulesaufgabe, die als sprichwörtliche „heiße Kartoffel“ monatelang auch durch die Büros der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung geisterte. Bis die Geschäftsführung schließlich dem intuitiven Impuls „Datenschutz? Das hat doch was mit IT zu tun!“ nachgab und die Kartoffel bei Alexander Loss fallen ließ.
„Mir war sofort klar, dass ich diese Aufgabe nicht alleine stemmen kann – und will“, berichtet Alexander Loss mir am Telefon. „Das Prozesswissen steckt in den Köpfen aller Mitarbeiter:innen, also muss auch die Dokumentation zur Aufgabe aller gemacht werden.“
Durch eine Internet-Recherche stieß er auf meinen Artikel zur Verfahrensdokumentation auf Basis des Enterprise-Wikis Confluence des australischen Herstellers Atlassian. Zentrale Idee dieses Ansatzes ist es, nicht einzelne Prozessverantwortliche oder Qualitätsmanager:innen mit der Pflege der Prozessdokumentation zu beauftragen, sondern alle Prozessbeteiligten in die Dokumentation und fortlaufende Aktualisierung der Prozessbeschreibungen einzubinden. Confluence als Enterprise-Wiki und digitale Kollaborationsplattform dient dabei als zentrales Instrument für die Verwaltung und Pflege der Dokumentation.
Bei der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung war Confluence unter anderem im IT-Bereich bereits seit einiger Zeit im Einsatz, allerdings bisher noch nicht als unternehmensweites Tool etabliert. In ersten Gesprächen wurde jedoch schnell klar, dass zahlreiche Anwendungsfälle sinnvoll über Confluence als zentrale Intranet- und Dokumentationsplattform abgedeckt werden können. Und so entschied sich die Geschäftsführung, die Einführung der Prozessdokumentation als Gelegenheit für ein breiteres Ausrollen der Software in alle Unternehmensbereiche zu nutzen.
Digitaler Kulturwandel
Die Herausforderungen in einem solchen Projekt sind selten technischer Natur. Vielmehr muss die Art und Weise der Zusammenarbeit überdacht, neu organisiert und regelrecht umgelernt werden.
Am Beispiel „E-Mail“ wird deutlich, wie anstrengend dieser Prozess für die einzelnen Mitarbeitenden und erst recht für die ganze Organisation ist. E-Mails sind der Defacto-Standard zur Verbreitung und Übergabe von Informationen in Unternehmen. Dabei werden Informationen im „Push“-Verfahren an alle verteilt, die es eventuell interessieren könnte. Der „gefühlten Informationspflicht“ ist damit Genüge getan. Ob aber die einzelnen Empfänger:innen wirklich ein Interesse an den geteilten Informationen haben, ob die Informationen tatsächlich gelesen oder gar verarbeitet werden, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Mit Plattformen wie Confluence kann die Verantwortung umgekehrt werden: das Meeting-Protokoll beispielsweise wird im Intranet für alle abrufbar bereitgestellt – wer die Information benötigt, holt sie sich dort ab. Das führt zur Reduktion der Informationsflut im Postfach, aber auch zu deutlich mehr Verantwortung beim Individuum.
Ein weiteres Beispiel: Damit Informationsplattformen effektiv funktionieren, müssen Inhalte zugänglich sein. Idealerweise uneingeschränkt und für alle Mitarbeiter:innen des Unternehmens. Dahinter steckt die schlichte Erkenntnis, dass „versteckte“ Informationen nicht durch Mitarbeitende genutzt werden können, um zu lernen und sie für das Unternehmen nutzbringend miteinander zu verknüpfen. Der aus vielen Büros bekannte „Informationsprotektionismus“ hemmt moderne Kollaborationssysteme. Nur wirklich kritische Daten sollten mit möglichst eng eingegrenzten Zutrittsbeschränkungen gesichert werden.
Umstellung der E-Mail-Kommunikation, großzügigerer Umgang mit Informationen im Unternehmen – derartige Änderungen kommen einem Kulturwandel gleich, den die gesamte Organisation durchlaufen muss.
Der Weg hin zu effektiver digitaler Zusammenarbeit funktioniert meiner Erfahrung nach nur, wenn alle Mitwirkenden von dem neuen, kollaborativen Arbeitsstil überzeugt werden. Vor allem die Kritiker:innen wollen überzeugt werden, damit unternehmensweite, digitale Kollaboration nachhaltig gelingen kann. Das braucht Zeit, gute Argumente und viele, einleuchtende Beispiele, die die Argumentation untermauern.
Digitales Handwerkszeug
Es ist richtig, dass Confluence als moderne browserbasierte Anwendung einfach zu handhaben ist – vorausgesetzt, man geht sicher mit dem Computer um und hat Lust auf neue Werkzeuge. Aber das gilt bei Weitem nicht für jede:n. Auch heute noch gibt es zahllose Tätigkeitsfelder, in denen sichere Computer-Kenntnisse keine Voraussetzung sind, um einen ausgezeichneten Job zu machen.
Tools wie Confluence aber setzen einen sicheren und im Idealfall kreativen Umgang mit Computer-Technologie voraus. Dazu braucht es einen Mindestgrad an Sicherheit im Umgang mit dem Werkzeug. Wenn alle Mitarbeitenden von digitaler Zusammenarbeit profitieren sollen, müssen auch alle mit den für den praktischen Umgang erforderlichen Fertigkeiten ausgestattet werden.
Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung ließ konsequent alle Mitarbeiter:innen auf Confluence schulen. Dabei standen konkrete Anwendungsfälle aus dem Arbeitsalltag im Vordergrund. Die Teilnehmer wurden in Starter- und Fortgeschrittenengruppen aufgeteilt, so dass jede:r dem individuellen Wissenstand entsprechend abgeholt wurde. Als besonders effektiv stellte sich außerdem die Aufteilung in mehrere kürzere Schulungseinheiten heraus. So blieb die Konzentration während der Trainings konstant und Fragen aus der praktischen Anwendung konnten in späteren Schulungen besprochen werden.
Den positiven Rückmeldungen nach zu urteilen, trugen die Trainings maßgeblich dazu bei, sowohl das Verständnis für die Anwendung selbst zu vertiefen, als auch die Motivation und die Ziele des Gesamtprojekts besser nachvollziehen zu können.
Multiplikator:innen
Eine wichtige Rolle bei der Verteilung des Wissens im Unternehmen spielen die sogenannten Multiplikator:innen: besonders motivierte und talentierte „PowerUser“, die es gar nicht abwarten können, die Möglichkeiten der Tools auszuloten und immer neue Anwendungsfälle umzusetzen. Diese Personen sind wichtige Katalysatoren zur Übersetzung der theoretischen Konzepte in die Praxis. Sie sorgen dafür, dass dem Projekt Leben eingehaucht wird und sind oft erste Ansprechpartner:innen für Kolleg:innen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Je früher diese Personen erkannt und aktiv unterstützt werden, desto schneller können sie ihre positive Wirkung entfalten. Wichtig ist der regelmäßige Austausch der Projektverantwortlichen mit den Multiplikator:innen. Wenn es irgendwo hakt, erfahren es die Multiplikator:innen oft als Erste.
Für große Confluence-Installationen hat sich die Einrichtung sogenannter „Bereichsgärtner:innen“ (Space Gardeners) als hilfreich erwiesen. Sie betreuen einen oder mehrere Bereiche administrativ und inhaltlich und sorgen dafür, dass Inhalte einheitlich aufbereitet und strukturiert werden. Multiplikator:innen sind ausgezeichnete Kandidat:innen für diese Aufgabe und übernehmen die Verantwortung oft sehr gerne.
Motivation
Schlussendlich ist der Erfolg eines sozialen Intranets von der Mitwirkung der Benutzenden abhängig. Wer versteht, warum es sich lohnt mitzuziehen, mit den erforderlichen Fähigkeiten ausgestattet wurde und durch die Organisation unterstützt wird, hat beste Voraussetzungen, von der digitalen Zusammenarbeit zu profitieren und wird gerne seinen Beitrag leisten.
Das Warum muss klar kommuniziert und – zumindest in der Anfangsphase – laufend wiederholt werden. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die Rolle der Geschäftsleitung. Sie muss hinter dem Projekt und seinen Zielen stehen und dies aktiv und kontinuierlich kommunizieren. Dazu gehört auch, mit gutem Beispiel voranzugehen: beispielsweise durch die Teilnahme an einer Confluence-Schulung.
Für den zusätzlichen Drive kann eine Erweiterung sorgen, die ein Konzept aus der Motivationsforschung aufgreift, die sogenannte „Gamification“. Dabei sollen spielerische Elemente bei der Ausübung von Tätigkeiten für eine Motivationssteigerung sorgen. Im Confluence-Umfeld kann das z. B. durch Ranglisten und Medaillen erreicht werden, die sich die Benutzer:innen im Umgang mit dem System verdienen: „Seiten anlegen“ gibt zum Beispiel 10 Punkte, „Kommentare anlegen“ 3, „Jemandem folgen“ 2 Punkte und so weiter. (Siehe App „Karma for Confluence“)
Alexander Loss fand die Idee so vielversprechend, dass er die Erweiterung kurzerhand installierte. Ich gebe zu, ich war äußerst skeptisch, ob das funktionieren würde. Entsprechend wenig überrascht war ich von den Reaktionen, als ich die Funktion den Teilnehmenden in den Schulungen vorstellte: die meisten belächelten diesen „Kinderkram“ und hielten ihn für völlig unnötig.
Allerdings muss ich feststellen: Karma ist immer häufiger Thema auf den Fluren der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung. Kolleg:innen tauschen ihren aktuellen Punktestand in der Kaffeeküche aus, verleihen sich für gegenseitige Unterstützung die „Hero of the day“-Medaille und freuen sich, wenn sie in der Rangliste wieder mal ein paar Plätze nach oben gerutscht sind. Und schließlich schaffte es Karma sogar in die Zeitung: Ein Redakteur berichtete in seiner Glosse augenzwinkert davon, wie er seit kurzem auf Karma-Punktjagd geht.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Die Erfahrungen aus Projekten wie dem bei der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung haben gezeigt, dass fünf Faktoren besonders wichtig für die erfolgreiche Einführung einer digitalen Kollaborationsplattform sind:
1. Nutzen kommunizieren
Immer wieder muss das gemeinsame Ziel und der Nutzen für das Unternehmen und die Einzelnen kommuniziert werden: in Meetings, in Schulungen und in der Kaffeeküche. Nur wer weiß, warum er sich auf Neues einlassen soll, wird sich ernsthaft engagieren.
2. Zustimmung der Geschäftsführung
Die Geschäftsführung muss fest hinter dem Projekt und seinen Zielen stehen, es uneingeschränkt unterstützen und dies immer wieder kommunizieren.
3. Multiplikatoren finden und unterstützen
Multiplikator:innen bringen Kollaborations-Tools zum Fliegen. Sie müssen schnell identifiziert und nach Kräften unterstützt werden, um das Projekt voranzutreiben. Der Effekt, den diese Menschen auf ihre Kolleg:innen haben, ist unbezahlbar.
4. Trainieren
Unter den IT-Profis gilt Confluence als extrem einfach anwendbares Tools. Dennoch gilt auch hier: Viele Benutzer:innen sind von den Möglichkeiten überfordert und benötigen eine sorgfältige, kontinuierliche Einführung in die Anwendung des Systems. Und erfahrene Anwender:innen können noch tiefer einsteigen und so mehr aus den Möglichkeiten herausholen.
5. Erfolge sichtbar machen
Da die Handhabung relativ einfach ist, gelingt es praktisch allen Anwendenden schnell, Erfolge zu erzielen. Die Ergebnisse sind sofort für jeden sichtbar und alle nehmen wahr, wie die Inhalte nach und nach wachsen und gedeihen. Blog-Beiträge, die auf besonders gut aufbereitete Inhalte hinweisen oder spielerische Ansätze wie „Karma for Confluence“ können zusätzlich helfen, positive Entwicklungen für alle sichtbar zu machen.